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Eine Apfelsine macht Purzelbaum - neues Faszienwissen

DALLE 2024 orange sliced in 1024x1024© Tilo Mörgen/ KI Dall-E(Ein Kommentar von Dipl. Soziologe Tilo Mörgen - Pohltherapeut)

Nicole Köster interviewte am 6.5.2024 in SWR1 LEUTE den Faszienforscher Prof. Dr. Robert Schleip und es gelingt ihr ein munteres, aufschlussreiches Gespräch mit ihm zu führen. Viele interessante und bedeutsame Aspekte der neueren Forschungsergebnisse werden anhand der klaren Fragen anschaulich von Prof. Schleip dargestellt.  Dabei geht es durchaus spielerisch, ja kindlich, fast naiv wirkend zu (wie in einem Gemälde von Miro): „Wir sind alle eine Apfelsine“

, erläutert Schleip augenzwinkernd, um die Matrixstruktur unserer Faszien zu veranschaulichen. Sein Tipp: Einmal die Woche Purzelbaum und Faszien können geschmeidig bleiben (5:59) oder mit Kindern spielen auf dem Boden, im Garten und Bäumen (6:12). Und falls nicht vorhanden, rät er zu ritualisierten Bewegungsausgleich wie bei Yoga (19:20), Feldenkrais, federnden Bewegungen oder zu Bindegewebsmassagen.

Ernährung

Für diejenigen beispielsweise, die mit Gleitwirbeln zu tun haben, die eine bessere Wundheilung wünschen, die „weiches“ Bindegewebe haben (in seinem neuesten Buch spricht er hier von Elfen, als Bindegewebetyp) empfiehlt er („mittlere Evidenz“) einen kleinen Löffel Gelatine (12:24) ins Müsli zu tun. Und grundsätzlich: „Alles, was als anti-entzündliche Ernährung berechtigterweise empfohlen wird, ist auch faszienfreundlich.“

Schlechte Ernährung? Vor allem, wenn man viele einfache Zucker zu sich nimmt. (24:45) Das führt dazu, dass das Bindegewebe knuspriger wird. Knusprigkeit kennt man von der Küche, bei knackigen Croissants, beim gegrilltem Fleisch oder als Crème brulée mit der süßen Karamelplatte. „Aber das Knackige wollen wir nicht. Wir wollen ein weiches, elastisches Bindegewebe haben“ (25:22), erläutert der Genussmensch Schleip.

Faszienrollen

Kritisch und freundlich, ganz wie es seine Art ist, erwähnt er auch den Hype um die Faszienrollen „… da wurde das Gold vom Himmel versprochen“. Aus seiner Sicht sind Faszienrollen gleichwertig mit Dehnungen (18:20). Allerdings könnten Faszienrollen durchaus punktuell sinnvoll zum Einsatz kommen.

Arthrose

Schleip zeigt auf, dass Arthrose nach neueren Erkenntnissen durch einseitigen Gelenkgebrauch begünstigt wird. Wir bewegen bspw. das Hüftgelenk mehr und mehr nur noch beim Sitzen und Aufstehen. Keine Drehungen und Wendungen. Daher dann die Gelenkdegeneration (20:03). Stattdessen Purzelbäume, Schneidersitz und  gerne auch Feldenkrais und Yoga. Die „Suppe“ und damit meint er die flüssige Grundsubstanz des Bindegewebe muss sich bewegen (23:19)

Yoga und Dehnungen

Dehnungen können sogar den Blutdruck indirekt begünstigen, erklärt Schleip, auf eine Hörerfrage. So werde ein gasförmiger Botenstoff bei Dehnungen freigesetzt, das Stickoxid. Das mache zudem die Gefäßwände geschmeidiger. Also weniger Arteriosklerose.

Faszien selbst entwickeln statt: Knusper, Knusper, Häuschen

Faszien können sich innerhalb von 6 Monaten neu bilden, allerdings zählt die Achillessehne da mit einigen ihrer Fasern zu einer Ausnahme. Diese enthält nach Schleip Fasern, die sich seit der Pubertät nicht mehr verändern (24:03). Allerdings gibt es auch Untersuchungen, die zeigen, dass im hohen Alter genau diese Faszie durch Übungen dennoch wieder geschmeidiger werden kann (Larson 2011, Magnussen 2009).

Faszien und Gefühle

Auch Faszien und Depressionen kommen zur Sprache, so hat sich in einer Untersuchung von Prof. Michalak gezeigt, dass Patienten mit einer starken depressiven Störung im Vergleich zu Patienten im Placebo-Zustand eine erhöhte Steifigkeit und eine verminderte Elastizität des myofaszialen Gewebes zeigten und dass Patienten in Selbstbehandlungsgruppe eine reduzierte negative Gedächtnisverzerrung und einen positiveren Einfluss zeigten (Michalak, J. 2022). Das könnten den Schluss nahelegen, dass myofasziale Gewebe Teil einer dysfunktionalen Körperdynamik sein kann, wie es die Pohltherapie und andere schon länger vermuten. Aber auch viel weitreichendere Hypothesen werden derzeit wissenschaftlich geprüft: Wirken fasziale Fibroblasten als notwendige Teamplayer im Zusammenspiel zwischen Emotionen, Vegetativum, Immunsystem, Entzündungsreaktion und dem enterischen sowie faszialen Mikrobiom? Manualtherapeutische Tierversuche deuten hier Verbindungen zum dynamischen Wechselspiel an (Schleip 2023).

Schleip schafft Wissen

Schleip, der ja, wie er sagt, zuerst „Hippie“ und in der Esoterik beheimatet war und dann erst in die „Hardcore“-Wissenschaft wechselte (30:45), kritisiert in beiden „Lagern“ Personen, die satt werden, die nicht mehr fragen, die nicht mehr neugierig sind, denen dieses Staunen des Kindes verloren gegangen ist, die eben auf alles ihre klugen Antworten haben. Und lobt die, „die am bescheidensten sind. Die sagen, wir wissen ja gar nichts, alles ist möglich. "Die, die selbstsicher sind auf beiden Lagern, die halte ich eigentlich für nicht so hochwertig.“ Wenn das mal nicht ein schöne Entzauberung quasi-religiöser Anschauungen ist. Eine Ermutigung auch in Richtung Pohltherapie, durchaus selbstkritisch mitzudenken und neu zu lernen.

Und zum Schluss?

Eine Übung: Den Hintern zum Himmel strecken und vorne runtergehen und sich dann die Schuhe binden. „Das ist eine wunderbare Dehnung der Beinrückseite. Dann ist unsere Regel, man darf nicht nach oben kommen, bevor man nicht die Sitzbeine zum Himmel gereckt hat und das Becken im Bücken gekreist hat“  (14:19). Ein wenig Hula-Hoop im Bücken Dann soll man/frau sich dynamisch aufrichten. Eine kleine positive Veränderung der Gewohnheit installieren und sich nicht mehr hinsetzen zum Schuhe binden, solange es noch geht. 

Es lohnt sich das ganze Interview zu hören.

Bewegung und Tipps

Quellen

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